Es ist am späten Abend im Performance Center von c2c-Wrestling. Die meisten Superstars haben das Gebäude schon verlassen und sind nach Hause oder zum Feiern gegangen. Doch einer Frau ist derzeit nicht nach Pause. Und schon gar nicht nach Feiern. Becky Lynch legt im Fitnessraum noch eine Verlängerung ein. Derzeit läuft es alles andere als rund für die junge Irin. Seit ihrer Verletzung ist sie einfach nicht mehr dieselbe. Selbstzweifel und Frust machen sich in ihr breit. Auch eine neue Koalition mit einem Bekannten vergangener Tage, Wade Barrett, scheint nicht wirklich den gewünschten Erfolg bei ihr zurückzubringen. Becky würde lügen, wenn sie sagen würde, dass sie sich nicht sogar schon Gedanken um ein mögliches Karriereende gemacht hat. Aber das ist der letzte Ausweg für sie. Noch hat sie ein paar Körner in sich. Und diese letzten Körner möchte sie bei nächsten Special wohl scheinbar unbedingt an die mit Abstand gefährlichste Wrestlerin bei c2c verbrauchen, Crazy Mary Dobson. Manch jemand mag sagen, dass Becky nun diejenige ist, die verrückt geworden ist und sich an dieser Mamutaufgabe versucht. Aber für sie ist es einfach nur die Anforderung, die sie an sich selbst stellt. Wenn sie sich als ehemaliger c2c Women's Champion nicht mit einer Person wie Mary Dobson messen kann, dann braucht sie auch ihre Karriere als Wrestlerin nicht mehr fortzuführen. Dabei ist es ihr egal, ob sie diesen Kampf gewinnt oder verliert. Sie will einfach den Beweis für sich selbst, dass sie es noch drauf hat. Wenn sie schon abtritt, dann wenigstens so, dass es all ihren Fans in Erinnerung bleibt. Mit einem Paukenschlag. Mit erhobenen Fahnen. Nicht wie ein verletztes Schlachtross, welches man zum Erschießen hinter den Hof führt.
Push-ups, Sit-ups, Klimmzüge. Die Irin lässt nichts aus, um ihre Muskeln zu stählen und sich an ihre Grenzen zu bringen. Und wenn sie sich für den Rest der Woche nicht mehr bewegen kann. Diese innerliche Wut muss heraus, damit sie sich voll und ganz auf Mary Dobson konzentrieren kann. Vor allem muss sie den Kopf von diesen Spielereien frei bekommen. Manchmal hört sie Mary's Glucksen schon im Schlaf. Zumindest glaubt sie das. Und dann, wenn sie wach wird, ist plötzlich wieder alles still. Scheinbar schafft Mary bei ihr wirklich das, was sie eigentlich vermeiden möchte. Ihre Kopfspielchen dringen in sie hinein. Doch sie hat sich diesen Gegner selbst ausgesucht. Nun wird sie auch diesen Kampf zu Ende bringen. Koste es, was es wolle. Aufgeben ist keine Option.
Becky Lynch: "Zum Teufel mit Crazy Mary! Sie denkt, ihr Zauber würde reichen, um mich zu besiegen? No way! Nicht. Mit. Mir."
Das Zählen der Sit-ups hat die Irin längst aufgegeben. Vielleicht ist sie schon bei 40 oder so. Jedenfalls brennt ihre Bauchmuskulatur schon ein wenig. Sie muss aufpassen, dass sie nicht übersäuert und sich womöglich noch verletzt. Wegen einer Verletzung das Match ausfallen zu lassen, das wäre schon fatal. Und irgendwie auch unglaublich dumm. Allerdings scheint Becky Lynch jeden Moment zu einer Pause gezwungen zu sein. Im Spiegel bemerkt sie, dass sie nicht mehr alleine ist. Sie reduziert das Tempo und schaut ununterbrochen zu der Person, welche sie gerade im Spiegel beobachtet. Dann unterbricht sie ihre Übung.
Becky Lynch: "Was? Bist du nur zum Gaffen hier? Oder willst du mich vielleicht darüber belehren wie ich die Übung noch korrekter ausführen könnte?"
*free for all*
Sechs Tage, keine ganze Woche mehr bis der amtierende c2c Eastcoast Champion seinen Titel beim letzten Special des Jahres – Winter Warzone – verteidigen muss. Das Match: ein Ladder Match. Die Gegner: Kevin Owens und Tommaso Ciampa. Schaut man sich die Ausgangslage an klingt diese Titelverteidung auf dem Papier alleine schon unglaublich schwer. Blickt man aber auf die Entstehung des Matches, dann könnte man zu dem Schluss kommen, dass Seth Rollins den Verstand verloren hat. Denn er höchstpersönlich hat die Herausforderung ausgesprochen. Nicht Owens. Nicht Ciampa. Nicht mal die Chefetage bestehend aus Shane McMahon oder Kurt Angle. Nein. Seth Rollins, der Champion, wollte dieses Match.
Seth Rollins steht aber voll hinter dieser Entscheidung. Zu nervig waren die letzten Wochen gewesen. Attacke von Ciampa. Attacke von Owens. In seinen Augen fühlt es sich an, als wäre er nicht zurück zu coast2coast-Wrestling gekommen, sondern in einen Kindergarten zurückgekehrt. So zumindest nimmt er das Verhalten von Kevin Owens und Tommaso Ciampa war. Grund genug für den Architekten dem „Kindergarten“ ein Ende zu setzen. Die Chance dazu bekommt er bei Winter Warzone und wie sagt man so schön – Nach dem Kampf ist vor dem Kampf. Und deshalb hat sich The Man kurzfristig noch eine Trainingseinheit in seine Tagesplanung gelegt. Bewusst hat er eine späte Uhrzeit gewählt. Möchte er alleine und ungestört trainieren. Die Kaputze seinen Trainingshoodie auf dem Kopf betritt er das Gym. Die nahe liegenste Bank zur Tür ist sein erstes Ziel. Dort legt er sein Handtuch und die Trinkflasche ab, als er eine Person, die schwer atmet im Gym bemerkt. Erstaunt, dass er zu der späten Uhrzeit nicht alleine ist, hebt Rollins den Kopf und blickt in den Spiegel, um zu checken um wen es sich handelt.
Jedoch ist die bereits anwesende Person ebenfalls auf den Architekten aufmerksam geworden und ranzt ihn von der Seite an. Die Stimme die Seth vernimmt kennt er nur zu gut. Denn nicht viele Kollegen und Kolleginnen haben einen solchen, sich ins Hirn festbrennenden, Akzent. Becky Lynch scheint die gleiche Idee gehabt zu haben, denkt sich Seth und dreht sich mit eiinem freundlichen Lächeln im Gesicht zu der Irin herum.
«Seth Rollins»
»Hey hey. Easy Becky easy. Ich bin nicht hier um dich zu stalken oder dergleichen. Ich wollte nur in Ruhe ein Workout, als Vorbereitung auf das Ladder Match, absolvieren und war überrascht zu später Stunde nicht alleine im Gym zu sein.«
Seth geht um die Bank herum und nähert sich der Irin.
«Seth Rollins»
»Was verschlägt dich zu so später Stunde in Gym? Ist es Mary? Kann ich gut verstehen. Mit ihr und Jon ist nicht gut Kirschen essen.«
Da hat sich Becky wohl geirrt, dass sie noch die einzigste Person ist, die heute Abend hier anwesend ist. Ok! Es gibt eine weitaus schlimmere Gesellschaft als Seth Rollins. Dennoch hätte die Irin das Alleinsein bevorzugt. Aber man kann eben nicht alles haben. Zumindest hat sie jetzt einen Grund dafür eine kurze Pause zu machen. Sie erhebt sich von der Matte und schnappt sich erstmal ihr Handtuch. Sie wischt sich den Schweiß von der Stirn und wendet sich dann dem Eastcoast Champion zu.
Becky Lynch: "Ja, ich weiß. Deshalb muss ich mich für das Match gut vorbereiten. Sie geht mir ziemlich auf die Nerven."
Das wäre ja eigentlich noch untertrieben. Becky ist schon weit mehr als genervt von Mary Dobson. Diese ständigen Provokationen ihrerseits und statt zu kämpfen sucht sie immer wieder das Weite. Doch damit wird bald Schluss sein.
Becky Lynch: "Aber wie du sicherlich weißt, ist Mary und Jon nicht mein einziges Problem. Mein Problem ist, dass ich seit meiner Rückkehr kein einziges Match mehr gewinnen konnte. Und das Schlimme ist, dass ich noch nicht einmal weiß wieso. Ich geh da raus und gebe mein Bestes. Doch mein Bestes ist scheinbar nicht genug. Und genau deshalb muss ich mich noch besser auf Mary vorbereiten."
Das würde auch die schlechte Laune, die die Irin in letzter Zeit an den Tag legt erklären. Die Niederlagen. Mary Dobson. Ach ja, da war ja auch noch diese Sache mit Finn Bálor, welcher sie mehr oder weniger verbannt hat. Ja, das Feuer brennt derzeit wirklich in Becky Lynch. Doch es fühlt sich mehr wie Lava an. The Irish Lass Kicker scheint ein brodelnder Vulkan zu sein, welcher kurz vor dem Ausbruch steht. Die erste Person, die das zu spüren bekommen hat, war Alexa Bliss. Becky hat sie, vor ein paar Wochen nach ihrer Niederlage gegen sie, attackiert und verletzt. Da hat die Rothaarige zum ersten Mal eine Seite von sich gezeigt, welche man schon ewig nicht mehr bei ihr gesehen hat. Eigentlich hat man diese Seite von ihr bei c2c so noch nie von ihr gesehen. Dann schnappt sich die Irin ihre Flasche Wasser und gönnt sich einen Schluck. Und nachdem sie nun wieder etwas runtergekommen ist, fühlt sie sich irgendwie schlecht, dass sie Seth Rollins so von der Seite angemacht hat.
Becky Lynch: "Sorry, dass ich dich so angemacht habe. Aber als Frau musst du um diese Zeit eben die Deckung ganz oben haben. Man weiß nie, welche Creeps sich hier herumtreiben."
Seth hört Becky aufmerksam zu, denn auch wenn die Stimme sehr vertraut klingt, schwingt dort etwas mit, dass Seth Aufmerksamkeit weckt.
«Seth Rollins»
»Schon gut, Becky. Ich hätte mich unter Umständen auch erschrocken. Schwamm drüber.«
Mit einem aufbauenden Lächeln versucht der Architekt der Irin klar zu machen, dass er die grobe Art Beckys‘ zu Beginn nicht böse nimmt. Nur um im nächsten Moment eine etwas erstere Miene aufzulegen.
«Seth Rollins»
»Der kleine Negativtrend im Moment scheint dich wirklich innerlich aufzufressen. Ich habe dich selten so unausgeglichen wahrgenommen. Es tut mir beinahe schon Leid dich so zu sehen. Hör zu Becky. Was du gerade durch machst passiert jedem Superstar mal. Lass dich nicht davon auffressen. Du und ich wissen beide was du im Stande bist zu leisten, nicht umsonst hast du eine fast 100 tägige Regentschaft als Womens‘ Championese vorzuweisen. Gehe einfach deinen Weg weiter und ich verspreche dir, dass die Erfolge zurückkommen.«
Freundschaftlich legt Seth für einen kurzn Moment eine Hand auf die Schulter von Becky. Im nächsten Moment zieht er sie aber wieder zurück.
«Seth Rollins»
»Hey. Mir ist da gerade eine Idee gekommen. Da wir beide augenscheinlich die selbe Tagszeit zum trainieren bevorzugen, warum schließen wir uns nicht bis zum Special zusammen und bereiten uns zusammen auf unsere Matches vor?«
Die Irin überlegt kurz. Solange es ausschließlich ums Trainieren geht, spricht eigentlich nichts dagegen. Einen Trainingspartner zu haben ist durchaus von Vorteil. Die Zeit vergeht schneller. Und zur Not ist mal auch jemand anwesend, der einem unter die Arme greifen und motivieren kann. Dann kommt noch hinzu, dass Seth Rollins durchaus ein Mann ist, welcher eigentlich auf der gleichen Wellenlänge wie Becky Lynch ist. Derzeit unterscheidet die beiden nur, dass der eine auf einer Erfolgswelle reitet und einen Titel inne hat. Und die andere muss darum kämpfen endlich wieder den Anschluss zu finden.
Becky Lynch: "Ja, ok! Bis zum Special können wir uns hier gegenseitig auf die Nerven gehen. Nur werde ich leider deine Gegner nicht simulieren können. Für Owens fehlt mir die Fülle. Und für Ciampa fehlt mir das Sauerkraut im Gesicht. Aber ich kann dir im Fanshop gerne ein Poster von den beiden besorgen, damit du beim Bankdrücken auch die nötige Wut entfesseln kannst."
Becky grinst Seth breit an. Ja, irgendwie hilft ihr es einen Gleichgesinnten um sich zu haben. Das hebt ihre Laune enorm. Sie braucht irgendwie jemand, der auch mal ein bisschen lockerer drauf ist. Zumindest einmal bis zum PPV. Und Wade Barrett wird es verstehen, wenn sie mal für ein paar Tage "fremdgeht". Immerhin muss er sich nebenbei ja auch noch um seinen Fight Club kümmern.
Becky Lynch: "Weißt du, es ist zwar schön und gut, wenn man eine Titelregentschaft von fast 100 Tagen vorweisen kann. Doch ich konnte den Titel ins dieser Zeit nicht ein einziges Mal verteidigen. Eine scheiß Verletzung und diese Psychopath Sinn Bodhi waren die Gründe dafür, dass ich mich mehr um mich selbst kümmern musste anstatt der Fighting-Champion zu sein, der ich eigentlich bin. Es ist einfach nur zum Kotzen gewesen. Oh! Und nebenbei angemerkt. Das habe ich in der Zeit wirklich sehr oft getan. Aber was soll's? Bringt ja nichts in der Vergangenheit zu leben. Ich muss mich um die Gegenwart kümmern."
Und diese Gegenwart heißt Crazy Mary Dobson. Es bringt einfach nichts in der Vergangenheit zu leben. Ja, sie hat es geschafft den Titel zu gewinnen. Und ja, am Anfang ist alles super toll gewesen. Doch es hat auch in dieser Zeit einige Tiefen gegeben. Und leider hat die Zeit auch mit einem totalen Tief geendet. Das Glück der Iren ist Becky seit dem Titelgewinn nicht mehr der beste Freund gewesen. Aber irgendwann wird es wieder zurückkommen. Und wahrscheinlich hat Seth auch recht. Was heißt wahrscheinlich? Er hat recht. Wenn sie am Ball bleibt, dann werden die Zeiten auch wieder besser. Es muss einfach so sein.
«Seth Rollins»
»Nicht das ich nicht daran glaube, dass du motiviert ins Match gegen Mary gehst. Aber du hast gerade etwas interessantes beiläufig erwähnt, dass dir bestimmt noch einen Extraschub an Motivation geben kann. Du hast nämlich erwähnt, dass du deine damalige Regentschaft nicht als Fighting Champion gestalten konntest. Warum setzt du dir nicht zum Ziel genau dies in deiner zweiten Regentschaft zu tun? Und komme was wolle, du wirst alles dafür geben um dieses Ziel zu erreichen.«
Auch wenn Seth wie eine Motivator klingt. Seine Absichten sind freundschaftlich gemeint. Seth hat schon immer Becky als In-Ring Perfomerin gemocht und respektiert. Die Irin ist nämlich in den Augen des Eastcoast Champion eine unverkennbare Performerin die aus der Masse heraussticht statt in ihr unterzugehen – positiv gemeint. In der Zwischenzeit hat Seth die Langhantel mit Gewichten ausgestattet und plaziert sich nun unter ihr.
«Seth Rollins»
»Aber wem sage ich das. Du bist wahrscheinlich schon top motivert und hast ja selber gerade gesagt, dass dein Blick nur noch nach vorne – Richtung Zukunft – gerichtet ist. Bist du so nett und leistest Hilfestellung?«
Seth legt die Hände an die Langhantel und hebt sie aus der Verankerung.
Eigentlich richtet sich Becky's Blick nur auf die Gegenwart. Selbst die Zukunft ist für sie ungeschrieben. Das Ziel einer zweiten Titelregentschaft hat sie sich schon bei ihrer Rückkehr lange gesetzt. Aber sie ist bisher noch kein bisschen vorangekommen. Deshalb muss sie sich erstmal das Ziel setzten, aus dieser Misere wieder herauszukommen. Und das kann sie nur schaffen, in dem sie gegen Mary Dobson einen ersten Schritt in diese Richtung unternimmt und sie besiegt.
Becky Lynch: "Ich muss erstmal wieder Matches gewinnen, mein Lieber. Erst dann kann ich daran denken, dass ich vielleicht irgendwann mal wieder ein Titelmatch bekomme. Mein Name ist ja nur Becky Lynch. Da bekommt man so ein Match nicht geschenkt wie andere Leute. Da muss man sich ein solches Match erarbeiten."
Die Irin nimmt noch einen kleinen Schluck Wasser zu sich und legt dann die Flasche und das Handtuch aus der Hand. Sie tritt hinter die Hantelbank, um Seth die gewünschte Hilfestellung zu leisten.
Becky Lynch: "Aber wenn ich ehrlich bin, dann will ich auch gar keine Geschenke. Ich wäre nicht die Kämpferin, die ich heute bin, wenn ich alles geschenkt bekommen hätte. Was denkst du? Sind die Gewichte nicht ein wenig zu schwer für den Anfang? Zum Aufwärmen solltest du vielleicht ein bisschen weniger auflegen. Wegen der Verletzungsgefahr und so. Owens und Ciampa würden das 'Geschenk' einer Verletzung von dir wohl nur all zu gerne annehmen. Und glaub mir, nichts ist schlimmer als durch eine Verletzung den Titel zu verlieren. Ich weiß das."
Ja, davon kann Becky Lynch ein Lied singen. Aber wem sagt sie das? Seth wird schon wissen, was er tut. Er ist selbst lange genug dabei. Sie hört sich ja schon an wie eine Trainerin. Vielleicht eine Berufung, die sie sich irgendwann einmal für die Zukunft offen halten könnte. Damit könnte sie mehr Erfolg haben als derzeit im Ring. Aber sie wird ja sehen, was die Zukunft für sie bereithält.