» Coast 2 Coast Wrestling

Normale Version: Akte 3/47/12 - Shannon Claire Spruill
Du siehst gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.

Kensuke Shinzaki

Tonaufnahme nummer dreiundzwanzig. Heute ist der neunte April neunzehnhunderfünfundneunzig. Wir haben dreizehn Uhr. Shannon, bevor wir mit unserem heutigen Gespräch beginnen, muss ich Sie fragen, ob es okay ist, wenn ich es aufnehme.

Kann davon irgendetwas an die Öffentlichkeit kommen?

Nein, diese Aufzeichnungen sind nur für eigene Analysen und fallen unter die ärztliche Schweigepflicht.

Dann geht das klar, denke ich. Aber warum die dreiundzwanzigste Tonaufnahme, wenn Sie mich heute erst fragen?

Bisher habe ich unsere Gespräche immer hinterher rekapituliert. Aber ich finde es schöner, wenn ich Ihre Worte eins zu eins noch einmal hören kann. Das ist authentischer.

Das ist wohl wahr. Na gut, Sie haben mein Okay.

Seit kurzem dürfen Sie sich wieder frei bewegen. Wie geht es Ihnen damit?

Gut. Die Leute in der Einrichtung waren zwar alle ganz nett, aber zu hause zu sein ist einfach schöner.

Kann ich verstehen. Haben Sie Anzeichen bemerkt, dass Daffney wieder da war?

Nein, ich glaube nicht. Ich bin sie jetzt schon so lange los, dass ich Hoffnung habe, dass sie nie wieder kommt. Ich kann immer noch nicht glauben, was mir alles erzählt wurde.

Das heißt, Sie erinnern sich selbst nicht daran?

Nicht im Detail. Manchmal erinnere ich mich, dass ich irgendwo war oder schon mal etwas gesehen habe, wo ich zuvor gewesen bin, obwohl ich nicht weiß, warum ich da war oder woher ich das nun wieder weiß. So ähnlich wie ein Deja-vú, nur noch konkreter. Schwer zu beschreiben.

Was macht es mit Ihnen, wenn man Ihnen erzählt, was Sie getan haben?

Ich schäme mich dafür. Die meisten Menschen haben kein Verständnis dafür und ich kann es ihnen nicht verübeln. Würde mir wohl auch so gehen, wenn ich es von außen betrachten könnte. Ich habe das Gefühl, dass die Leute mich komisch ansehen und mich meiden, wenn sie können. So als hätte ich jedem von ihnen etwas angetan, dabei kenne ich die meisten nicht einmal.

Sie meinen ihre Nachbarn und ihr allgemeines Umfeld? Mhm, verstehe. Kennen Sie denn die Leute, denen Sie etwas getan haben?

Nein, die auch nicht. Aber Daffney scheint sie zu kennen, denn diese Leute reden ja über sie mit ihrem Namen. Verstehen Sie? Wenn ich jemanden namentlich anklage, muss ich denjenigen ja kennen, oder nicht?

Sehr scharfsinnig beobachtet, Shannon. Sagt Ihnen der Begriff Pro-Wrestling etwas?

Das läuft im Fernsehen, stimmts?

Ja, aber sonst haben Sie keine Verbindung dazu?

Nein, ich halte das für Blödsinn. Man muss schon ziemlich was am Helm haben, um sich freiwillig zu prügeln und sich dabei von tausenden Menschen beobachten zu lassen. Obwohl... Dann wäre das ja genau richtig für mich.

Schön, dass Sie Ihren Humor noch nicht verloren haben. Allerdings ist es so, dass Daffney dort tatsächlich nicht ganz unbekannt ist. War Ihnen das bewusst?

Sorry, aber das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. So wie es klingt bräuchte Daffney keinen solchen Rahmen für Gewalt und warum sollte sie das vor Publikum tun? Ich bin ja schon froh, wenn mich niemand sieht oder anspricht. Daffney ist nicht so eine, nein, never ever.

Okay, lassen wir das Thema erst einmal auf sich beruhen. Ihr Psychiater hat Ihnen Tabletten verschrieben. Nehmen Sie die regelmäßig?

Ja, aber es gefällt mir nicht. Überhaupt nicht.

Warum? Haben Sie Nebenwirkungen?

Nicht direkt. Ich habe eher das Gefühl, die Kontrolle über mich selbst zu verlieren. Stellen Sie sich vor, Ihre Gedanken sind nicht mehr frei. Gefesselt, irgendwie. Ich kann es schwer erklären. Es ist einfach nicht gut.

So ganz ist das ja nicht von der Hand zu weisen. In gewisser Weise wird ein Teil von Ihnen gefesselt. Nämlich Daffney und das wiederum ist doch gut für Sie und die Menschen um Sie herum. Sehen Sie das anders?

Nein, natürlich nicht. Ich kann mich vielleicht nur noch nicht mit dem Gedanken abfinden, ein Leben lang Tabletten nehmen zu müssen, nur um annähernd normal zu wirken. Es führt mir jeden Tag zwei Mal vor Augen, dass ich ein Freak bin. Niemand will ein Freak sein.

Sie sind kein Freak, Shannon. Sie haben eine Persönlichkeitsstörung und dafür können Sie nichts. Die Ursachen liegen ja in der Vergangenheit. Darüber haben wir ja schon gesprochen. Ich denke, Sie dürfen sich da nicht selbst so verurteilen. Das machen schon genug Leute für Sie und das nur, weil sie es nicht verstehen können. Ich bin hier, damit wir gemeinsam daran arbeiten, dass Sie nicht für immer diese Tabletten nehmen müssen. Ich kann nichts versprechen, damit wir uns richtig verstehen, aber wir können gemeinsam daran arbeiten, wenn Sie wollen.

Auf jeden Fall. Ein normales Leben führen, das wär was.

Leider ist unsere Zeit schon wieder rum. Sehen wir uns nächste Woche wieder?

Yes ma'am!

*Klick*